Mittwoch, 01.11.2023
Wissenswertes

Intermodaler Güterverkehr in der EU: Es liegt noch ein langer Weg vor uns

Um die Verlagerung des Güterverkehrs weg von der Straße hin zu alternativen Verkehrsträgern wie der Schiene voranzutreiben, stellte die EU zwischen 2014 und 2020 mehr als 1,1 Milliarden Euro für Intermodalitätsprojekte bereit. Wie ein Anfang 2023 publizierter Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs nun zeigt, ist man aber noch lange nicht am Ziel. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Schlussfolgerungen des Berichts in Bezug auf die Infrastruktur vorgestellt. Damit die ökologischen Ziele erreicht werden können, ist die EU gefordert, diese Herausforderungen in Angriff zu nehmen.

Guido Fara, Prüfer, Europäischer Rechnungshof

Schon 2011 hat die Europäische Kommission Ziele für die Senkung von Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor festgelegt. Eine Möglichkeit zur Erreichung dieser Ziele liegt in einer massiven Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene, die Binnenschifffahrt oder den Kurzstreckenseeverkehr. Der intermodale Güterverkehr könnte wesentlich zum Erfolg dieses Vorhabens beitragen, da unterschiedliche Verkehrsträger kombiniert und deren jeweilige Vorteile dadurch optimal genutzt werden.

Der Europäische Rechnungshof veröffentlichte Anfang dieses Jahres einen Sonderbericht, um die Wirksamkeit der von der EU seit 2014 zur Unterstützung des intermodalen Güterverkehrs erlassenen Rechtsvorschriften und Mittel zu bewerten. Die Prüfer untersuchten verschiedene Faktoren, die sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der Intermodalität auswirken, und zwar wie die EU-Ziele im Bereich der Intermodalität konzipiert und überwacht werden, welche Unterstützung durch den Rechtsrahmen der EU gegeben ist und wie gut das Infrastrukturnetz der EU den Bedarf im Bereich Intermodalität decken kann.

Lineare Infrastruktur und Umschlagterminals sind von zentraler Bedeutung

Damit Wirtschaftsteilnehmer Alternativen zum reinen Straßentransport konsequent nutzen können, benötigen sie (a) eine lineare Infrastruktur, wie Gleise, welche die erforderlichen technischen Anforderungen erfüllt, und (b) Umschlagterminals, um Güter von einem Verkehrsträger auf einen anderen verladen zu können. Die Anforderungen an das Infrastrukturnetz der EU sind von der EU selbst festzulegen, doch die Priorisierung der umzusetzenden Projekte liegt im Verantwortungsbereich der Mitgliedsstaaten. Ungeachtet der Fortschritte, die bisher erzielt wurden, gibt es nach wie vor Interoperabilitätsprobleme und Engpässe. Im Bereich der transeuropäischen Verkehrsnetzkorridore (TEN-V-Korridore), dem Rückgrat des Transportnetzes der EU, wiesen zwei technische Parameter eine vergleichsweise niedrige Erfüllungsquote auf.

Zuglänge und Lichtraumprofil: zwei Parameter mit niedriger Erfüllungsquote

Einer dieser Parameter betrifft die Zuglänge, die entscheidend für die Erzielung von Skaleneffekten und die Erreichung von Kosteneffizienz im Intermodalverkehr ist. Die Zuglänge von 740m, die bis 2030 erreicht werden soll, war laut Europäischer Kommission im Jahr 2019 nur auf 53% der TEN-V-Korridore realisierbar.

Der zweite Parameter, der eine niedrige Erfüllungsquote aufwies, betrifft das Lichtraumprofil P400, das für die Unterbringung großer intermodaler Ladeeinheiten erforderlich ist. Der Betrieb solcher Züge ist nur in 40% der Kernnetzkorridore möglich, wobei es hier starke Abweichungen zwischen den Mitgliedsstaaten gibt. In Spanien erfüllen nur 6% der Korridore dieses Ziel.

Bedarf an Terminals: Überblick fehlt

Hinsichtlich der Umschlagterminals stellten die Prüfer des Europäischen Rechnungshofs fest, dass Informationen zu bestehenden intermodalen Umschlagterminals nur schwer zugänglich sind. Wenn Logistikunternehmen für die Konzipierung neuer Strecken Informationen benötigen, müssen sie mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand rechnen. Des Weiteren war die Europäische Kommission zum Zeitpunkt der Prüfung gerade dabei, Empfehlungen zur Digitalisierung der Logistikkette auszuarbeiten. In der Zwischenzeit haben die Mitgliedsstaaten jedoch begonnen, ihre eigenen nationalen Lösungen zu entwickeln, wobei die erhobenen Informationen nicht einheitlich waren.

Die Prüfer stellten darüber hinaus fest, dass die Europäische Kommission keinen Überblick über die bestehenden Terminals und jene Terminals hat, die noch gebaut oder ausgebaut werden müssen, um den künftigen Bedarf der Industrie zu decken. Der Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2021, die TEN-V-Verordnung (die noch das Gesetzgebungsverfahren durchläuft) und neue Bedingungen für den Erhalt von EU-Kofinanzierung zu überarbeiten, könnte allerdings zu einer Verbesserung der Situation führen, da Mitgliedsstaaten dann ihren Bedarf an neuen Terminals bewerten und diese Informationen mit der Europäischen Kommission teilen müssten.

Verzögerungen bei der Umsetzung und keine Überwachung der Ergebnisse der Verkehrsverlagerung

Als letzten Schritt untersuchten die Prüfer eine Stichprobe von EU-finanzierten Infrastrukturprojekten zur Förderung der Intermodalität. Dabei stellten sie fest, dass sich deren Umsetzung oft verzögert, was unter anderem auf den erhöhten Abstimmungsbedarf zwischen den verschiedenen Beteiligten zurückzuführen ist. Zudem wurden innerhalb der Projekte keine systematischen Ex-ante- oder Ex-post-Evaluierungen durchgeführt, um die Auswirkungen auf die Verkehrsverlagerung zu bewerten. Somit war es nicht möglich, bewährte Praktiken und häufige Herausforderungen zu identifizieren, die mit der Finanzierung intermodaler Projekte einhergehen.

Fazit: Fortschritt in allen Bereichen dringend notwendig

Damit der intermodale Güterverkehr mit dem reinen Straßentransport mithalten und wirksam zur Umsetzung der Ziele für die Ökologisierung des Verkehrs beitragen kann, ist es dringend notwendig, sich mit all diesen Aspekten zu befassen.